LVR-Amt für
Bodendenkmalpflege
im Rheinland
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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Viele Überraschungen in der rheinischen Archäologie

LVR-Tagung "Archäologie im Rheinland - Ausgrabungen, Forschungen und Funde 2014" am 2./3. Februar 2015 in Bonn

Pressemitteilung - 2. Februar 2015

Eine überaus positive Bilanz des archäologischen Jahrs im Rheinland zog Prof. Dr. Jürgen Kunow, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland, bei der Jahrestagung des Amtes: "Das Jahr war voller Überraschungen, angefangen mit einem bislang unbekanntem römischen Gräberfeld in Bonn und endend mit dem Fund einer "Zeitkapsel" aus der Zeit zwischen den Weltkriegen in Mühlheim a.d.Ruhr. Besonders erfreulich sind auch die neuen Erkenntnisse zu Siedlungen und Gräberfeldern der vorrömischen Metallzeiten. Dadurch können einige Wissenslücken geschlossen werden.“ Bei der Tagung vor 400 Zuhörerinnen und Zuhörern im LVR-LandesMuseum Bonn verwies Kunow auf zwei erfolgreich beendete Projekte des Amtes: "Wir haben eine Fülle von Kriegsrelikten erfasst und an Aktionstagen vier Objekte des Ersten Weltkriegs der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Erlebnisraum Römerstraße mit einer 170 Kilometer langen Rad- und Wanderroute entlang zweier ehemaliger römischer Fernstraßen lädt dazu ein, Landschaft und Sehenswürdigkeiten kennenzulernen. Nach der ArchaeoRegion Nordeifel ist es das zweite erfolgreich abgeschlossene Kooperationsprojekt mit einer großen Zahl von Kommunen."

Im Jahr 2014 wurden im Rheinland (ohne Köln) 340 Grabungen durchgeführt, davon 173 durch das LVR-Amt und 167 durch archäologische Fachunternehmen, die von Investoren beauftragt wurden. Die sogenannten Firmengrabungen haben damit die Anzahl früherer Jahre erreicht, bevor das Verursacherprinzip durch ein Gerichtsurteil in Frage gestellt worden war. Für Kunow hat sich die ausdrückliche Festschreibung des Verursacherprinzips im nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetz im Jahr 2013 bewährt: "Investoren müssen im Rahmen der Zumutbarkeit archäologische Untersuchungen finanzieren, wenn durch geplante Bodeneingriffe archäologische Hinterlassenschaften zerstört werden. Damit bleibt dann für nachfolgende Generationen wenigstens das Wissen erhalten. Die gesetzliche Regelung schafft Rechtssicherheit für Investoren und Planungssicherheit für die Kommunen."

Paläontologie

Bei der LVR-Tagung stellten Paläontologen eines der weltweit größten Exemplare eines 380 Millionen Jahre alten Panzerfischs vor, das zur Verblüffung der Fachwelt nach neuesten Erkenntnissen und Funden aus Australien lebendgebärend war. Sein Name Ctenurella gladbachensis erinnert an den Fundort im Strundetal bei Bergisch Gladbach. Aus dem Steinbruch Pack in Linde bei Lindlar stammen hervorragend erhaltene Nautiliden, Verwandte des Tintenfischs, die Durchmesser von einem halben Meter erreichten. Funde in diesem Steinbruch belegen auch das erste Auftreten von Lungenfischen im Mitteldevon vor rund 385 Millionen Jahren - ein lebendes Fossil, das auch heute in den Meeren zu finden ist.

Vorrömische Zeit

Die Neuentdeckung bronze- und eisenzeitlicher Fundplätze liefert ein immer detaillierteres Bild dieser Epochen. In Euskirchen-Großbüllesheim staunte ein Grabungsteam des LVR über den Fundreichtum von Gruben, die bei der Freilegung einer Siedlung aus der späten Bronzezeit (1.300 – 800 v. Chr.), der sogenannten Urnenfelderkultur, zu Tage kam. Neben reichlich Keramik fanden sich darin auch ein Bronzemesser und eine türkise Ringleinperle, die zu den frühesten Glasperlen im Rheinland zählt.

In Inden-Pier entdeckten die Archäologinnen und Archäologen nahe einer früheisenzeitlichen Siedlung 26 Brandgräber, von denen mehrere für das Rheinland ungewöhnlich reich ausgestattet sind. (s. gesonderten Text zum Fund des Monats.)

Römische Zeit

Ein römisches Landgut bei Erkelenz-Borschemich im Tagebaugebiet Garzweiler überraschte auch 2014 wieder mit besonderen Befunden: Überreste zweier kleiner Tempelbauten und von fünf wohl einst überhügelten frührömischen Kammergräbern - einer Grabform, die im Rheinland kaum vorkommt. Obwohl alle Gräber antik beraubt waren, zeigen letzte am Ort verbliebene Reste der einst reichen Grabausstattung einen hohen Sozialstatus der hier bestatteten Personen an. Die Restaurierungsarbeiten an dem 2013 geborgenen, reich ausgestatteten Frauengrab IV bringen exzeptionelle Funde ans Licht, darunter eine hauchdünne Schale aus dem Halbedelstein Chalzedon mit vollflächigem Schliffdekor. Das Meisterwerk römischen Kunstschaffens diente möglicherweise als Kultgefäß für Trankopfer.

Besonders aufwendig gestaltete Haarnadeln fertigte eine römische Werkstatt, die wahr-scheinlich am unteren Niederrhein zu lokalisieren ist. Aus dieser stammt wohl die reich profilierte Haarnadel von 14 Zentimeter Länge aus reinem Gold, die ein Sammler bereits 2013 bei Kerpen-Manheim fand. Eine nahezu identische Silbernadel entdeckte man nun kürzlich bei der Ausgrabung einer römischen Villa im Tagebau Inden. Bei dieser war lediglich der Kopf vergoldet, wie auch bei weiteren Vergleichsstücken aus dem unteren Niederrheingebiet.

Das römische Bonn wartete im Jahr 2014 gleich mit mehreren verblüffenden Entdeckungen auf. Große Mengen fragmentierten Wandputzes aus den Kasernenbauten des Legionslagers zeigen, dass Wandmalerei selbst in Mannschaftsunterkünften zum Standard gehörte. Verschiedene bemalte Putzschichten belegen sogar, dass der Wandputz der geänderten "Dekor-Mode" angepasst wurde. In einem Gräberfeld in der Kölnstraße überraschte in einem Frauengrab die Entdeckung zweier Fibeln aus Silberblech, wie sie sonst an der mittleren Donau und im rumänisch-ukrainischen Raum vorkommen. Vermutlich hat diese Frau ihren Mann begleitet, der als Soldat im römischen Heer diente. Ein bislang unbekanntes Gräberfeld mit sensationell gut erhaltenen Gräbern, die reichlich Gefäße als Beigabe fürs Jenseits enthielten, entdeckte ein Grabungsteam in der Schedestraße unweit des Museums König. Dass Bonn über eine ausgedehnte römische Siedlung mit städtischem Charakter verfügte, belegt einmal mehr ein jüngst im Bereich des neuen Kongresszentrums WCCB entdecktes außergewöhnlich großes Gebäude.

Vor den Augen des Publikums wurde im Archäologischen Park Xanten des LVR erstmals in Deutschland ein römisches Schiff komplett nachgebaut. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit von Schiffsbau und Archäologie sollen bei einer Flussfahrt im Frühjahr experimentell überprüft werden. Schon jetzt zu besichtigen sind drei jüngst fertiggestellte Nachbauten römischer Handwerkerhäuser, die mit traditioneller Bautechnik in Lehm und Holz und detailreicher Innenausstattung eine neue Qualität in der musealen Rekonstruktion versprechen.

In Köln waren die Grabungsteams des Römisch-Germanischen Museums 2014 bei 40 Ret-tungsgrabungen im Einsatz. Im sogenannten Gürzenich-Quartier, zwischen St. Maria im Kapitol und Gürzenich gelegen, wurden gewaltige Hangstützmauern des späten 1. / frühen 2. Jahrhunderts freigelegt, die Teil des römischen Zentralheiligtums der CCAA (Colonia Claudia Ara Agrippinensium) waren. Nur einen Steinwurf entfernt untersuchte ein Grabungsteam an der Hohe Straße Teile der Forumsbasilika – ein öffentlicher Großbau, der das Zentralheiligtum vom Forum trennt. Auf dem Rathausplatz wurden inzwischen große Teile der bisherigen Grabungsfläche nach Abschluss der Dokumentation mit Sand verfüllt, um die Baumaßnahmen für die Realisierung von Archäologischer Zone und Jüdischem Museum vorzubereiten.

Mittelalter

Rot leuchtende Granate, sogenannte Almandine, sind die Kennzeichen kostbarer frühmittelalterlicher Funde, die zum Teil erstmalig aus Anlass der archäologischen Jahrestagung öffentlich präsentiert werden. Sie gehören zu einer der deutschlandweit bedeutendsten Sammlungen an Funden des frühen Mittelalters, die im LVR-LandesMuseum Bonn aufbewahrt wird. Das Museum untersucht in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten wissenschaftlichen Verbundprojekt "Weltweites Zellwerk" als Kooperationspartner des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz Herkunft und Verarbeitungsqualität der Steine sowie der Goldschmiedearbeiten im frühen Mittelalter.

Die geplante Ausweisung eines Wohngebietes in Schermbeck führte ganz unerwartet zur Entdeckung einer hochmittelalterlichen Turmhügelburg, einer sogenannten Motte, in deren Umfeld außerdem Spuren einer früheren Siedlung zutage traten. In dem feuchten Gelände konnten Hölzer geborgen werden, welche eine Datierung der Siedlung in das 10. Jahrhundert erlauben. Sie wurde wahrscheinlich im 11. Jahrhundert von der Motte überbaut.

Neuzeit

Eine erstaunliche Entdeckung machten Bauarbeiter in Mülheim an der Ruhr: Bei Sanierungsarbeiten an Schloss Broich wurde eine "Zeitkapsel" aus Kupferblech entdeckt. Bis vor wenigen Jahren war dort eine Gedenktafel angebracht, die an die beiden in Mülheim stationierten Infanterie-Regimenter 159 und 219 erinnert. Eine Auswertung der Kassette aus dem Jahr 1928 in der Außenstelle Niederrhein des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege brachte viele Dokumente mit Bezug zum Ersten Weltkrieg und einige Münzen zutage.

Erfolgreich befasste sich die LVR-Bodendenkmalpflege auch mit der jüngsten Vergangenheit. Im Rahmen des LVR-Verbundprojektes "1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg" arbeiteten Wissenschaftler an einem Inventar der archäologischen Kriegsrelikte der beiden Weltkriege und des Kalten Krieges. An vier Aktionstagen mit mehr als 1.500 Besucherinnen und Besuchern stellten sie Objekte des Ersten Weltkriegs der Öffentlichkeit vor. Archäologische Grabungen an einer Landesbefestigung in Emmerich und am Standort einer Luftschiffhalle in Düren zeigten, welche Relikte sich bis heute unter der Erde erhalten haben. Ein Geländeführer mit 73 gut besuchbaren Kriegsrelikten im Rheinland ist inzwischen als Buch beim Klartext-Verlag erschienen.

Zur Tagung wird bis zum 9. März 2015 eine Präsentaton von Neufunden im 1. OG des LVR-LandesMuseums Bonn präsentiert. Öffnungszeiten Di-Fr, So 11-18 Uhr, Sa 13-18 Uhr.

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Pressekontakt

Jens Schubert M.A.
LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Telefon: 0228 9834-126
E-Mail: jens.schubert@lvr.de