LVR-Amt für
Bodendenkmalpflege
im Rheinland
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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Fund des Monats November 2021

Opas Schwert – nicht nur eine Familiengeschichte

Ein lange in Vergessenheit geratenes Schwert kam bei häuslichen Aufräumarbeiten während des Lockdowns im November 2020 wieder zutage. Das Familienerbstück war bereits 1955 vom Großvater des Wiederentdeckers in Wesel-Aue, Kreis Wesel bei Arbeiten in einer Kiesgrube entdeckt worden. Wegen den pandemiebedingt ausfallenden Sankt–Martins–Umzügen sollte das „alte Römerschwert“ den Kindern, d.h. den Urenkeln des Finders, gemäß der Mantelteilungslegende wenigstens ein bisschen Atmosphäre zu St. Martin vermitteln.

Unter dem Betreff „Römerschwert aus Familienbesitz“ wandte sich die Familie an das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, um mehr zum Alter und historischen Kontext des Schwertes in Erfahrung zu bringen. Bereits das erste Foto ließ die Archäolog*innen staunen: Das Schwert ist nicht nur wesentlich älter als angenommen, sondern gelangte zudem als Import an den Niederrhein.

Es handelt es sich um ein spätbronzezeitliches Vollgriffschwert vom Typ Möringen (ca. 880–800 v. Chr., Stufe Hallstatt B3) und ist somit rund 3.000 Jahre alt. Seine Länge beträgt 58 cm, seine Klingenbreite 3,3 cm und die maximale Breite am Knauf 6 cm. Es besteht aus einer Klinge mit Griffangel und einem separaten Griff. Fehlende Nietstifte auf den Röntgenaufnahmen belegen, dass der Griff nicht vernietet, sondern mittels Gusstechnik mit der Klinge verbunden wurde. Die Klinge zeigt eine gerundete Mittelrippe mit je zwei flankierenden Linien als Verzierung. Auch der Griff ist mit mehreren Linien verziert, die hier quer verlaufen und wohl zusätzlich dem besseren Halt dienten.

Metallurgische Analysen ergaben, dass der Griff aus einer anderen Bronzelegierung als die Klinge gefertigt wurde. Dies könnte ästhetische und technische Ursachen haben. Der Griff enthält sog. Fahlerzkupfer (gräulich bis schwärzliches Kupfererz), wodurch er einen leicht silbrigeren Farbton erhält. Die Klinge wurde hingegen aus sulfidischem Kupfer (Kupferkies) und Zinn legiert, was ihr einen eher rötlichen Farbton verlieh und ihre Schmiedeeigenschaften verbesserte. Für den Guss werden wiederverwendbare, zweiteilige Gussformen aus weichem, gut ritzbarem und feuerfestem Stein angenommen. Dies ermöglichte den Handwerkern die Herstellung identischer Waffen in großer Zahl.

Die Klinge war bei der Auffindung des Schwertes in der Mitte verbogen, so dass der Finder sie bei einem Schlossermeister wieder richten ließ. Das Stück wurde wohl nicht vom Kiesbagger beschädigt, sondern bereits vor seiner Niederlegung absichtlich verbogen. Diese Unbrauchbarmachung ist häufig in spätbronzezeitlichen Hortfunden zu beobachten, die entweder als Fluss- oder Erddepots rituell niedergelegt worden sind. Im verkehrsgünstigen Einzugsgebiet des Rheins und der Lippemündung wurden zu dieser Zeit bevorzugt Horte deponiert, was zahlreiche Bronzefunde bei Wesel-Aue belegen. Neuere Forschungen zeigen, dass es sich dabei wohl um Erddepots in der bereits verlandeten Rheinaue handelte.

In der Literatur werden Möringenschwerter oftmals als reine Prestige-, Status- oder Kultobjekte gedeutet, die weniger für den Kampf geeignet waren. Eindeutige Hiebspuren an der Schneide der Klinge des Schwertes aus Wesel-Aue belegen hingegen seinen Kampfeinsatz. Das Hauptverbreitungsgebiet der Möringenschwerter erstreckt sich zwischen dem Rhônegebiet und Pommern, einschließlich Süddeutschland. Weiter nördlich finden sich nur vereinzelte Exemplare, die dorthin verhandelt wurden. Vom Niederrhein ist außer unserem Fund des Monats nur ein weiteres Exemplar aus Wesel, ehem. Kreis Rees, bekannt, das heute leider verschollen ist.

Großer Dank gebührt dem Enkel des Finders, der dieses außergewöhnliche Stück als Leihgabe dem LVR-LandesMuseum Bonn überlässt, so dass es in der neuen Dauerausstellung präsentiert werden kann.