Pressemitteilung - Bonn, 4. Februar 2013
Wahre archäologische Raritäten sind im Februar im Foyer des LVR-LandesMuseums Bonn zu sehen: Holz- und Lederschuhe, hölzerne Schalen, Schüsseln und Löffel – vergängliche Objekte also, die sich nur selten und unter ganz besonderen Bodenbedingungen erhalten. In Hülle und Fülle kamen diese organischen Funde im inneren Umfassungsgraben und in den Latrinen des ehemaligen Rittergutes Haus Pesch in Erkelenz-Pesch (Tagebau Garzweiler) zutage. Zusammen mit den zahlreichen Funden aus weniger vergänglichen Materialien, wie Glas, Keramik und Metall zeichnen sie ein unerwartet vollständiges und facettenreiches Bild vom Leben des rheinischen Niederadels im 15. und 16. Jahrhundert.
Schlichtes Alltagsgerät, wie Holzlöffel, neben qualitätvollen Stücken, wie einem Messinglöffel mit Löwenmotiv für gehobene Ansprüche, machen soziale Abstufungen unter den Burgbewohnern sichtbar. Verzierte Reitutensilien und Gerätschaften zur Pferdepflege oder auch Waffen, darunter eiserne Hodendolche, mit denen der Träger seine Männlichkeit unterstrich, spiegeln Ausstattung und Leben der adeligen Herren auf Haus Pesch wider. Kostbare Trinkgläser, teils in venezianischer Machart, ein spezielles Keramikgefäß für Trinkspiele bei Tafelrunden (Vexierkrug), aber auch hochwertiges Steinzeuggeschirr unterstreichen die ausgeprägte Tafelkultur des Adels in Spätgotik und Frührenaissance, die auch in Haus Pesch gepflegt wurde.
Die Entdeckung all dieser Funde war durch den Abbruch des ehemaligen Rittergutes im Zuge des fortschreitenden Braunkohlentagebaus Garzweiler möglich geworden. Während der zweijährigen Untersuchungen stießen die Archäologen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland auf eine Vorgängeranlage des Herrenhauses: eine Kleinburg mit zentralem Wohnturm und Nebengebäuden. Wie gut datierbare Funde aus dem Brandschutt des Küchenkellers zeigen, wurde dieses ältere Adelshaus bei einem Überfall während des Kölnischen Krieges um 1586 zerstört. Beim Wiederaufbau legte man den inneren Umfassungsgraben weniger tief an, sodass die alte Grabenfüllung des 15./16. Jahrhunderts erhalten blieb. Im feuchten Boden überdauerten die organischen Funde bis zur ihrer Bergung und anschließenden aufwändigen Konservierung und Restaurierung durch Spezialistinnen des LVR-LandesMuseums Bonn.
Der Fund des Monats und die Sonderschau sind bis zum 28. Februar 2013 im Foyer des LVR-LandesMuseum Bonn zu sehen. Im Mai präsentieren das LandesMuseum und das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege noch einmal besondere Funde aus Haus Pesch.
Öffnungszeiten:
Di - Fr, So 11 - 18 Uhr, Sa 13 - 18 Uhr