Ausgerechnet bei der Erweiterung des Rastplatzes Nievenheim-Ost an der A 57 in Dormagen fanden sich die Überreste eines deutlich älteren steinzeitlichen Lagerplatzes. Die späteiszeitlichen Jäger und Sammler hatten hier in der Übergangsphase von der letzten Kalt- zur heutigen Warmzeit (etwa 9.700–9.500 v. Chr.) gerastet und gearbeitet. Dies belegen rund 2360 Steinartefakte, die in zwei ca. 12 m voneinander entfernten Fundstreuungen geborgen werden konnten. Verbrannte Artefakte belegen zudem Feuerstellen innerhalb des Lagerplatzes.
In den beiden Hauptfundbereichen oder sogenannten Aktivitätszonen verrichteten die Jäger den größten Teil der im Lager anfallenden Arbeiten. Ein Schwerpunkt lag auf der Produktion von großen, bis zu 20 cm langen Steinklingen, aus denen man die meisten Geräte herstellte. Unter den 138 Steingeräten finden sich vor allem Kratzer zur Bearbeitung von Fellen und Häuten, Stichel zum Schaben und Schnitzen von Knochen und Geweih sowie messerartige Klingen zur Zerlegung der Jagdbeute. Von der Jagd zeugen kleine Pfeilspitzen – sog. Zonhovenspitzen – und schmale Rückenmesser, die unterhalb der Spitzen auf die Pfeilschäfte aufgeklebt waren.
Die an dem Lagerplatz verarbeiteten Feuersteinmaterialien bezeugen, dass die Nievenheimer Jäger äußerst mobil waren. Dem überwiegend genutzten Baltischen Feuerstein nach kamen sie von weit her aus dem hohen Norden. Einige Stücke von tiefrotem Feuerstein beweisen, dass sie sich sogar eine Zeit lang im Bereich des Helgoländer Felsmassivs aufgehalten haben, das damals noch Teil des Festlands war. Von dort aus müssen sie in Etappen über mehr als 400 km nach Südwesten in die Gegend von Maastricht und Aachen gezogen sein, worauf Artefakte aus Maas- sowie Lousberg-Feuerstein hinweisen. Anschließend führte ihr Weg sie nach Nordosten an den Rhein bei Nievenheim. Auf ihren Wanderungen folgten die Jäger den großen Rentierherden, aber auch das Wildpferd gehörte zur Jagdbeute des damaligen Menschen.
Nach einem 14C-Datum von 9742±214 v. Chr. schlugen die Nievenheimer Jäger ganz am Ende der letzten Eiszeit ihr Lager am Rhein auf. Anhand der von ihnen produzierten langen Klingen in Kombination mit den kleinen Zonhovenspitzen werden sie von den Archäologen der Bevölkerung der sog. Long-Blade-Industries zugeordnet, die während einer kurzen Phase von vielleicht 100–150 Jahren, irgendwann zwischen 9800 und 9600 v. Chr., weite Teile Nordwest-Europas besiedelte.
Foto: Martin Heinen / artemus GmbH, Frechen