Der Fund im Römisch-Germanischen Museum der Stadt Köln, der bereits im Jahr 1912 ausgegraben wurde, vermag unmittelbar Geschichte(n) zu erzählen.
Das ehemalige Museum für Vor- und Frühgeschichte im Bayenturm in Köln – in dem das Gefäß ursprünglich aufbewahrt wurde – beherbergte bis zu seiner Zerstörung im Jahr 1943 einen Großteil aller bis dahin entdeckten Funde aus dem direkt an das römische Reich grenzenden, germanisch besiedelten Gebiet zwischen dem Rhein und dem Bergischen Land. Nach den Verwüstungen durch Fliegerbomben wurde das zerstörte Inventar in Kisten gepackt und seit dem Neubau des Römisch-Germanischen Museums in Köln dort verwahrt.
In einem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt ("Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum") arbeiten aktuell Archäologen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege und des Römisch-Germanischen Museums daran, diesen „Bombenschutt" zu sortieren und die einzelnen Teile den ursprünglichen Fundkomplexen wieder zuzuordnen. Eine Restauratorin setzt die zerscherbten Keramikgefäße wieder zusammen.
Während der Sortierungsarbeiten fiel eine Anzahl Keramikscherben auf, die starke Hitzespuren und Verformungen aufweisen. Entgegen dem ersten Verdacht zeigte sich jedoch, dass die Scherben nicht beim Brand des Museums im Jahr 1943, sondern schon viel früher dem Feuer ausgesetzt waren. Die trotz aller Schwierigkeiten geglückte Zusammensetzung der Fragmente ergab ein typisch germanisches Gefäß, das während der damals üblichen Verbrennung des Toten mit auf dem Scheiterhaufen gestanden hatte, und durch die enorme Hitze deformiert und in Stücke gesprungen war. Genaue Aufzeichnungen des Archäologen Rafael von Uslar, der vor dem Krieg alle germanischen Funde in den Museen zwischen Rhein und Weser dokumentiert hatte, ermöglichten schließlich eine sichere Zuweisung des Gefäßes zu Grab 175 des großen germanischen Gräberfelds von Rheindorf.
Dem namenlosen Toten aus Grab 175 – nach der anthropologischen Bestimmung ein Kind - hatte man außer einem Gürtel und zwei Gewandspangen noch ein zweites Tongefäß sowie ein Eisenmesser mit auf den Scheiterhaufen gegeben. Ein derartiges Messer, das sonst häufig als Teil der Ausstattung in Kriegergräbern auftritt, ist in einem Kindergrab ungewöhnlich. Das Grab wurde wohl um die Mitte des 1. Jahrhundert n. Chr. angelegt, also etwa in der Zeit, als die heutige Stadt Köln zur Colonia erhoben wurde.
Fundort: Leverkusen-Rheindorf, Ausgrabung des ehemaligen Museums für Vor- und Frühgeschichte in Köln. Maßnahme: OV 1911/0003, Grab 175.
Foto: M. Thuns/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland