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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Fund des Monats Dezember 2023

Heilige, Patronin und Gabenbringerin

Bei archäologischen Untersuchungen im Vorfeld des Tagebau Hambachs kam in Haus Boch­heim in Kerpen-Man­heim eine kleine, noch 8 cm hoch erhaltene Figur aus weißem Pfeifenton zutage. Sie fand sich im spät­mittelalterlichen Siedlungs­bereich des 1138 erstmals urkundlich erwähnten Hauses.

Obwohl der Kopf fehlt, handelt es sich zweifelsfrei um eine Darstellung der Hl. Barbara. Als für sie typisches Attribut trägt sie in der linken Hand einen Turm, der mit ihrer Geschichte zu­sammen­hängt: Die Hl. Barbara soll Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. in Nico­media (Türkei) gelebt haben. Sie wollte zum Christentum übertreten, was ihr Vater Dioscuros aber zu verhindern versuchte, indem er sie in einen Turm einsperrte. Später soll er sie dann mit einem Schwert enthauptet haben.

Das vorliegende Stück entstammt einer sog. „Bilderbäckerei“. Der in Köln ansässige, tonverarbeitende Kunsthandwerkbetrieb hatte sich vermutlich auf die Produktion von religiösen Figuren spezialisiert. Zur Her­stellung der Figuren nutzte man entweder zwei getrennte Model für die Vorder- und Rückseite (die beiden Hälften einer Figur wurden später zusammengefügt) oder man goss flüssigen Ton in eine aus zwei Hälften bestehende Hohlform. Nach der Trocknung wurden die Positivformen entnommen, ggf. noch überarbeitet und anschließend gebrannt. Danach wurden sie bisweilen noch fein überarbeitet und anschließend in einem Ofen bei Temperaturen bis max. 1000 Grad gebrannt. In Köln konnte der bisher einzige Ofen zur Herstellung solcher Figuren gefunden werden. Bemerkens­werterweise gibt es in einer Kölner Sammlung ein formal nahezu identisches Exem­plar, dem das gleiche Modello zugrunde gelegen haben dürfte.

Die Bochheimer Statuette stammt aus spätgotischer Zeit, vermutlich aus dem letzten Viertel des 15. Jahr­hunderts. Damals gehörten figürliche Darstellungen der Hl. Barbara zu den beliebtesten Heiligendarstellungen, die in vielen Fällen der Anbetung dienten. Die kleine Figur aus Bochheim könnte auf einem Hausaltar gestanden haben.

Die Hl. Barbara spielte und spielt eine wichtige Rolle als Heilige in von Bergbau geprägten Regionen, wo ihr zu Ehren Feiern und Messen abgehalten werden. Sie ist jedoch nicht nur die Patronin der Bergleute, sondern auch der Turmwächter, Baumeister, Glockengießer und Glöckner, Feuerwehrleute, Artilleristen sowie der Sterbenden. Sie war eine von 14 Nothelfern und gilt darüber hinaus als eine der drei virgines capitales, die in besonderen Notfällen angerufen wurden.

Zum Brauchtum um die Heilige gehört auch, am 4. Dezember, dem Barbaratag, Zweige von Obstbäumen ins Wasser zu stellen. Ihr Aufblühen verheißt Glück im kommenden Jahr. Der Barbaratag markierte insbesondere im Rheinland den Beginn der weihnachtlichen Geschenkezeit. Als Gabenbringerin vor Weihnachten brachte sie den Kindern Geschenke.

Martin Heinen

Holzskulptur der Heiligen Barbara

Zum Vergleich wird hier außerdem eine Skulptur aus Lindenholz der Hl. Barbara gezeigt. In der linken Hand hält sie einen Turm als ihr typisches Attribut. Die 1,10 m große Skulptur wurde wahrscheinlich Anfang des 15. Jahrhunderts im schwäbischen Raum gefertigt. Der Künstler und die ursprüngliche Aufstellung sind nicht bekannt. Die Skulptur wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aus einer Privatsammlung erworben und befindet sich heute im Besitz des LVR-LandesMuseums Bonn.