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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Fund des Monats Februar 2022

Jungsteinzeitliche Rinderfigur

Bei archäologischen Untersuchungen auf der ZEELINK-Trasse wurden weitere Bereiche der bereits bekannten altneolithischen Siedlung bei Würselen-Broichweiden, StädteRegion Aachen, aufgedeckt. Die Siedlung mit zwei Erdwerksanlagen weist eine Ausdehnung von über 500 m Südwest-Nordost und eine Belegung von der älteren bis zur jüngsten Phase der Bandkeramik auf (5300–4900 v. Chr). Das Fundspektrum umfasst neben den zu erwartenden Steinartefakten und Keramikgefäßen als Besonderheiten auch mehrere Miniaturgefäße und eine schwarze Steinperle (s. u.).

Das Highlight ist jedoch der Fund einer zoomorphen Hohlplastik– die Figur eines Rindes mit gedrungenem, rundlichem Körper und stummelartigen Beinen. Der Kopf weist zwei runde Einkerbungen für die Augen und eine waagerechte Einkerbung für das Maul auf. Die Hörner sind abgebrochen, zwischen den Bruchstellen ist die vorgewölbte Stirn erkennbar. Die kleine Erhebung hinter dem Horn deutet vermutlich das Ohr an. Das Innere der Figur ist lediglich grob geglättet, der Körper ist nicht verziert.

Zoomorphe Figuren sind in der Linearbandkeramik nicht naturnah dargestellt. Das Rind ist trotz der abstrahierten Form gut anhand der Hörner erkennbar und mehrfach als Motiv bei Plastiken und Applikationen nachgewiesen. Bei den wenigen im Gebiet der westlichen Linearbandkeramik bekannten zoomorphen Hohlplastiken handelt es sich um Schweine oder es ist aufgrund der fragmentarischen Erhaltung keine Zuordnung zu einer bestimmten Tierart möglich. Die Deutung solcher Plastiken erfolgt meist im kultischen Zusammenhang, eine profane Nutzung als Kinderspielzeug ist jedoch ebenfalls möglich.

Im Rheinland stellen figürliche Plastiken eine Besonderheit im Fundgut bandkeramischer Siedlungen dar. Der gut erhaltene Fund ist der erste gesicherte Nachweis einer zoomorphen Hohlplastik in dieser Region.

Das übrige Fundspektrum in Würselen-Broichweiden entspricht einem typischen Siedlungsinventar mit verzierten rundbodigen Keramikgefäßen sowie Mahl- und Schleifsteinen. Steinwerkzeuge wie Dechsel (Querbeile) aus Amphibolit und Bohrer aus Feuerstein geben einen Einblick in das Handwerk vor 7000 Jahren. Dass in der bäuerlichen Lebensweise auch die Jagd eine Rolle spielte, belegen Pfeilspitzen und ein Pfeilschaftglätter aus Sandstein.

Der Fundplatz lieferte jedoch auch einige besondere Objekte, die über das übliche Fundspektrum hinausgehen. Die durchlochte Steinperle dürfte sicherlich als Schmuckstück zu interpretieren sein. Die Bohrung eines roten Farbsteins diente möglicherweise primär dem praktischen Transport an einer Schnur. Der Abrieb von Hämatit wurde als Farbstoff genutzt, wie die Abriebkanten zeigen.

Raum für Interpretationen lassen – neben der Rinderfigur – auch Bruchstücke von Miniaturgefäßen, die aufgrund ihrer geringen Größe möglicherweise nicht als profanes Geschirr dienten. Manchmal bilden auch sie in ihrer Form Tiere oder Menschen ab, wobei die Stücke aus Würselen-Broichweiden in Form und Verzierung keine derartigen Merkmale aufweisen.

Der Fund des Monats ist ab dem 08.02.2022 im Rahmen der Ausstellung "Archäologie im Rheinland 2021" im 1. OG des LVR-LandesMuseums Bonn zu sehen.

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