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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Sonnenuhr aus dem Mittelalter

Fund des Monats Januar 2012

Ex oriente lux?

Bereits 1959 wurden drei Fragmente einer mittelalterlichen Sonnenuhr, damals noch unerkannt, bei einer Ausgrabung Hugo Borgers im Klausurbereich des mittelalterlichen Frauenstiftes St. Quirinus in Neuss gefunden. Eine Neubearbeitung der Funde führte nun zu einer Identifizierung, die eine kleine Sensation darstellt. Es handelt sich um drei Fragmente aus einem cremeweißen Kalkstein, die in zweiter Verwendung zu Konsolen umgearbeitet und an einer neuen Stelle im Stift verbaut wurden. Auf der Oberseite zeigen sie noch Buchstaben und Linien, die auf ihre ursprüngliche Funktion als Sonnenuhr verweisen. Die Bruchstücke lassen sich zu einer halbkreisförmigen Sonnenuhr mit einem Durchmesser von rund 70 cm ergänzen. Diese ist durch sogenannte Schattenlinien in zwölf gleich große Abschnitte unterteilt. Buchstaben auf den Schattenlinien sind Abkürzungen der lateinischen Stundenangaben. Die Sonnenuhr diente der Anzeige der für die Stiftsdamen obligatorischen Gebetsstunden. Diese Gebetsstunden sind durch ein Dekor in Form einer sogenannten Palmette hervorgehoben.

Der Fund ist vermutlich an das Ende des 9. oder in das 10. Jahrhundert zu datieren. Damit gehört das Neusser Exemplar zu den ältesten bekannten mittelalterlichen Sonnenuhren Mittel- und Westeuropas. Sie ist jedoch auch in anderer Hinsicht außergewöhnlich, denn sie entspricht einem byzantinischen Typus, der aus Griechenland und Armenien bekannt ist. Nördlich der Alpen ist die Sonnenuhr bislang die einzige dieses Typs und ein schönes Beispiel für die Übernahme von Kulturideen aus dem Byzantinischen Reich in den Westen. Möglicherweise diente eine Abbildung in einer byzantinischen Handschrift als Vorlage.


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