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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Fund des Monats November 2023

Städtische Schuhmode

Bei einer archäologischen Baubegleitung wurden aus dem Wassergraben der ehemaligen Burg Holten („Kastell Holten“) zahlreiche Lederfunde in erstaunlich gutem Erhaltungszustand geborgen. Das Fundspektrum umfasst Lederfetzten, Sohlen und vollständige Schuhe. Bei den hier gezeigten Exemplaren handelt es sich um einen Knöpfstiefel und Schuhe mit Verschluss über dem Rist, wozu auch die Sohle gehört. Letztgenannte Schuhe verfügen über zwei paarweise Verschlussöffnungen für die zentral auf dem Rist befindlichen Riemen. Verstärkungen an den Verschlussöffnungen durch applizierte Lederstücke zeugen von einer hohen Qualität. An einem der Schuhe ist anhand spezifischer Verschleißmuster eine Erkrankung des Trägers mit einem Hallux Valgus (Fehlstellung des großen Zehs) zu erkennen.

Mit vier Exemplaren, inklusive der Sohle, sind Schuhe mit Verschluss über dem Rist die häufigste Form in Oberhausen. Daneben fanden sich auch Ausführungen mit seitlichen Verschlüssen sowie ein Schuh mit Trippenoberleder, also mit Unterschuh aus Holz. Der Knöpfstiefel fungierte wohl als Handwerkerschuh, worauf historische Bildquellen schließen lassen.

Es handelt sich um Schuhe aus der Übergangszeit mit der für das Mittelalter üblichen wendegenähten und der heute gebräuchlichen rahmengenähten Machart. Davon lassen sich die meisten über Vergleichsfunde in das 15. bis 16. Jahrhundert datieren, so etwa die „Übergangsformen“ mit Verschluss über dem Rist.

Vergleiche aus städtischen Kontexten in Nordwesteuropa und von Fundorten aus adeligem Milieu im Rheinland zeigen, dass sich in Oberhausen-Holten im 15. und 16. Jahrhundert eine deutliche Angleichung an städtische Vorbilder abzeichnet.

Die Lederschuhe wurden von Studierenden des Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie (LEIZA) unter Anleitung der Restauratorinnen des LVR-LandesMuseums Bonn konserviert und restauriert. Die angehenden Restaurator*innen waren Julian Brosius, Eliza Hernándes Osorno, Sven Knaflic, Bodil Mönnich, Rebecca Sandbichler, Marlene Schmucker und Valentin Veith.

Christian Schumacher