Frührömische Glasgemme aus Neuss mit dem Bildnis eines jungen Mannes, vielleicht Apollo oder ein Satyr (Foto: Jürgen Vogel/LVR-Landesmuseum Bonn).
Glasgemmen des 3. Jahrhunderts aus Bonn (Foto: Jürgen Vogel/LVR-Landesmuseum Bonn).
Eine römerzeitliche Gemme aus Neuss
Bei archäologischen Untersuchungen im Bereich der frührömischen Militärlager von Neuss wurden u.a. zahlreiche Gruben entdeckt, deren Fundmaterial Hinweise auf Metallverarbeitung sowie Glas- und Keramikproduktion gibt. Eine Abfallgrube mit Funden aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts enthielt die hier gezeigte Gemme.
In die kleine Schmuckeinlage ist das Bildnis eines jüngeren Mannes mit längerem, gelockten Haar eingetieft. Ob hier vielleicht ein Satyr, also ein Mischwesen aus dem Gefolge des Weingottes Bacchus dargestellt ist oder Apollo, der Heilgott und Gott der schönen Künste, ist unsicher.
Analysen in den Restaurierungswerkstätten des LVR-Landesmuseums Bonn durch Marina Westkamp zeigten, dass die Gemme nicht aus einem Edelstein, sondern aus Glas hergestellt worden war. Im Unterschied zu den Gemmen aus geschliffenen Edelsteinen wurde das Bildmotiv hier nicht eingeschnitten, sondern abgedrückt. Glasgemmen stellte man nämlich in Formen her, die von hochwertigen Steinoriginalen abgeformt worden waren. Die erhitzte Glasmasse wurde in die Form getropft und angedrückt. Der erkaltete Rohling konnte nachgeschnitten, geschliffen oder poliert werden.
Bei unserem Stück wurden zwei verschiedenfarbige Glasmassen verwendet, was gut an dem helleren Streifen zu erkennen ist. Diese sollten einen Sardonyx – einen beliebten gebänderten Schmuckstein – nachahmen.
Solche gläsernen Imitationen geschnittener Gemmen waren in römischer Zeit geläufig. Dies zeigt auch das kleine Depot eines Schmuckhändlers, der im 3. Jahrhundert seine Ware vor dem südlichen Tor des Bonner Legionslagers anbot: Fingerringe aus Bronze und Gagat, Spiegelchen und Glasgemmen. Letztere ahmen einen Lagenachat in der Nicolo-Schnitttechnik nach, bei dem das Bild durch die hellere obere Schicht in die dunklere untere eingetieft wurde.
Mehrere motivisch übereinstimmende Abformungen – Hirte mit Ziegenherde, Jupiter, Merkur, Vogel – legen nahe, dass im Rheinland, vielleicht in Bonn, eine Werkstatt gearbeitet haben muss, die Nicolo-Glasgemmen nach Vorbildern des 1. und 2. Jahrhunderts herstellte.
Dáire Leahy, Susanne Willer