LVR-Amt für
Bodendenkmalpflege
im Rheinland
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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Fund des Monats Oktober 2023

Ein Vogel für den König

Einen einmaligen Fund machte ein lizensierter Sondengänger des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland auf einem Acker in der Nähe von Rees am Niederrhein. Trotz der Beschädigung durch den Pflug – ein Flügel ist abgerissen und der Kopf deformiert – ist der Silbervogel ansonsten sehr gut erhalten. Lediglich zwei Ösen auf dem Vogelrücken sowie ein Fuß und der Ast, auf dem er einst saß, waren bereits alt abgebrochen. Nicht einmal 10 cm lang und gut 50 g schwer besteht er aus mehreren getriebenen Silberblechteilen, die zu der Figur zusammengelötet wurden. Der Silberschmied hat das Federkleid durch feine Gravuren angedeutet und dabei Deck- und Schwungfedern deutlich unterschieden.

Da identische Vergleichsstücke bislang unbekannt sind, ist es hilfreich, dass der Vogel auf seinem Halsband das Datum „1569“ trägt. Diese Datierung in das 16. Jahrhundert wie auch die Gestalt des Vogels, die sich leicht als Papagei ansprechen lässt, waren wichtige Hinweise zu seiner ursprünglichen Funktion. Es handelt sich um einen Schützenvogel, der zentral an der Ehrenkette für einen Schützenkönig hing. Solche Ehrenketten wurden im Spätmittelalter vom Vorsteher einer Schützenbruderschaft als Amtszeichen getragen.

Schützenbruderschaften waren Zusammenschlüsse von Bürgern, die für die Verteidigung ihrer Stadt verantwortlich zeichneten. Von Flandern aus hatten sie sich im 14. Jahrhundert auch im Rheinland etabliert. Neben dem Schießtraining war die Ausrichtung von Schützenfesten, die das bürgerliche Gegenstück zu den adeligen Turnieren darstellten, eine wichtige Aufgabe der Schützenvereinigungen. Das Ziel, eine hölzerne Papageienfigur, gab auch dem Wettbewerb den Namen als „Papageienschießen“.

Vermutlich im 16. Jahrhundert wandelte sich die Funktion der Ehrenketten. Seit dieser Zeit wurden sie dem Sieger des Schießwettbewerbes, dem Schützenkönig, als Amtszeichen für ein Jahr verliehen. Üblicherweise zeigten die Ketten ein Medaillon mit dem Sinnbild oder Wappen der Schützenvereinigung sowie, darunter hängend, einen Papagei. In späteren Zeiten stifteten die Schützenkönige zusätzlich kleine Plaketten, die an ihre Amtszeit erinnern sollten. Wie unser Silbervogel auf den Acker bei Rees gelangte, ist ungeklärt. Denkbar wäre sowohl der Raub des „Königssilbers“ in einer der vielen Kriegsereignisse am Niederrhein wie auch der Verlust nach einer vielleicht aus dem Ruder gelaufenen Krönungsfeier.

Christoph Keller