LVR-Amt für
Bodendenkmalpflege
im Rheinland
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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

LVR-Grabungsteams fanden eine der größten frühmittelalterlichen Siedlungen Deutschlands

Fundplatz mit herausragender Bedeutung für die Wissenschaft

Pressemitteilung - Bonn 21. November 2013

Archäologen des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) gelang in Bonn die Freilegung einer der bislang größten bekannten frühmittelalterlichen Siedlungen in Deutschland. In mehreren umfangreichen Grabungen wurden seit 2007 auf dem insgesamt über 17 Hektar großen, neuzeitlich nicht überbauten Areal 94 Gebäudegrundrisse nachgewiesen und ausgegraben. Das umfangreiche Fundmaterial belegt den ländlichen Charakter der Siedlung mit Handwerkern und Bauern. Bei zwei auf der Fläche ebenfalls ausgegrabenen römischen Übungslagern wurden erstmalig im Rheinland zahlreiche Steinkugeln gefunden, die von Angriffsübungen stammen.

Seit 2007 sind Grabungsteams des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland im rechtsrheinischen Bonner Stadtgebiet zwischen Vilich-Müldorf und Pützchen-Bechlinghoven beiderseits der Bundesstraße 56 aktiv. Die archäologischen Arbeiten auf den insgesamt rund 17 Hektar großen Flächen werden durch die landeseigene Stadtentwicklungsgesellschaft NRW.URBAN finanziell unterstützt, die das Areal für Wohnbebauung erschließt.

Unter der unscheinbaren Ackerfläche bei Bechlinghoven lagen die spannenden Reste von über 2000 Jahren Geschichte. Den Grabungsteams des LVR gelang die fast vollflächige Untersuchung eine der größten bekannten merowingerzeitlichen Siedlungen Deutschlands. Für die Wissenschaft ist diese von herausragender Bedeutung, weil der Platz im Unterschied zu vielen anderen Ortschaften neuzeitlich nicht überbaut war. Eine derartig hohe Anzahl von Gruben- und Langhäusern konnte hier erstmals dokumentiert werden. Im Rheinland wurden bereits etliche fränkische Gräberfelder archäologisch untersucht, Siedlungen hingegen sind eine Rarität, wobei meist nur Abschnitte erfasst wurden. Durch die Grabungen in Bechlinghoven mit umfangreichem Fundmaterial kann die Archäologie Lücken in der Siedlungsgeschichte schließen und Siedlungsstrukturen, Bauweise sowie die Siedlungsentwicklung über mehrere Jahrhunderte auswerten. Die Funde zeigen, dass in dieser ländlich geprägten Siedlung etwa zwischen dem sechsten und dem achten Jahrhundert verschiedene Handwerker und Bauern lebten und arbeiteten. In den Grubenhäusern konnten zum Beispiel die Reste von Textilhandwerk wie Spinnen und Weben nachgewiesen werden. Regelmäßig fanden sich auch kleinere Öfen zum Backen und vermutlich auch Töpfern.

In der vorangegangenen römischen Periode war das Gelände bereits als Manöverplatz genutzt worden. Das Grabungsteam des LVR hat zwei Übungslager des römischen Militärs umfassend ausgraben und genau bestimmen können. Insbesondere in Feld-zügen legten die Truppen zu ihrem Schutz Marschlager mit Wall und Graben an. Typisch sind die rechteckige Form mit abgerundeten Ecken, die mit der Form einer Spielkarte zu vergleichen ist, das V-förmige Profil der Gräben und die nach innen gezogenen Wallenden an den Toren. Damit der Bau eines Lagers im Ernstfall schnell und zuverlässig klappte, mussten die Soldaten die Erdbewegung – das Schanzen – regelmäßig trainieren. Übungslager sind daran zu erkennen, dass sie im Inneren vollkommen unbebaut waren, so auch bei den beiden in Bechlinghoven. Sie weisen nicht nur vorbildlich ausgehobene Spitzgräben auf, zum ersten Mal im Rheinland be-zeugen zahlreiche in den Gräben gefundene Steinkugeln Angriffsübungen im Bereich der Tore.

Auch nach der merowingischen Epoche blieb der Platz für die Menschen attraktiv: Beeindruckend und noch sichtbar sind die eingestürzten Mauern eines hochmittelalterli-chen Hauses, die in dessen ehemaligem Keller liegen. Das Gebäude gehörte zu einer Hofanlage, von der das LVR-Team in den vergangenen Monaten einige Gebäude untersuchen konnte. Warum die Siedlung aufgegeben wurde, bleibt für die Archäologen vorerst ein Rätsel.

All diese Befunde konnten durch das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland gesichert werden, bevor im Rahmen der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme WTP mit der Erschließung des geplanten Wohngebietes ‚WohnPark II‘ durch die NRW.URBAN GmbH begonnen wird. In ähnlicher baulicher Struktur wie im WohnPark I nördlich der Stadtbahntrasse werden hier in den nächsten Jahren etwa 330 Wohnungen als Einzel-, Doppel und Reihenhäuser sowie im Geschosswohnungsbau entstehen, wodurch die vorzeitlliche Siedlungstätigkeit wieder aufgenommen wird.

Bildmaterial auf Anfrage

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