Den Überraschungsfund präsentierten (von links): Dr. Gundula Lang, LVR-Denkmalpflege, Dr. Julia Obladen-Kauder, LVR-Bodendenkmalpflege, sowie von der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH (MST) Projektleiterin Heike Blaeser-Metzger und Geschäftsführerin Inge Kammerichs. Foto: MST-MH, Pia Kamps
Pressemitteilung, 8. Dezember 2014
Für eine riesige Überraschung sorgten Bauarbeiter bei der Ausbesserung jahrhundertealter Mauern an Schloß Broich in Mülheim an der Ruhr. Schloß Broich ist ein Schmuckstück Mülheims. Es liegt an der historischen Ruhrfurt und ist der älteste in Teilen erhaltene Wehrbau der späten Karolingerzeit nördlich der Alpen. Beim Ausstemmen von Fugen kam eine 38 x 29 Zentimeter große "Zeitkapsel" aus Kupferblech zum Vorschein, wie man sie ähnlich von Grundsteinlegungen kennt. Die Stadt Mülheim informierte - wie bei "Schatzfunden" üblich - das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland und bat um Hilfe bei der Ermittlung des Inhaltes.
Die Gestaltung des Deckels - oben eine Krone, darunter in Großbuchstaben I R (für Infanterieregiment) 159 - ließ bereits erahnen: Hier handelt es sich um ein Relikt, das mit großer Sicherheit in Verbindung zum Ersten Weltkrieg steht. Bis zur Notsicherung der einsturzgefährdeten Mauer vor drei Jahren war dort eine Gedenktafel angebracht, die an die beiden Regimenter 159 und 219 erinnern soll.
Es begann eine spannende Detektivarbeit, die sich einerseits bei der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH als Eigentümerin des Schlosses sowie der Stadt Mülheim an der Ruhr auf die Historie des Fundes richtete. Bei der LVR-Bodendenkmalpflege stand dagegen der Inhalt im Mittelpunkt. Die Kassette wurde gemeinsam mit der Restauratorin Petra Becker des LVR-Archäologischen Parks Xanten vorsichtig geöffnet und ihr Inhalt in der Außenstelle Niederrhein der LVR-Bodendenkmalpflege unter Leitung von Dr. Julia Obladen-Kauder dokumentiert. Es kamen 28 gut erhaltene Zeitdokumente - unter anderem Zeitungen aus dem Jahre 1928, viele Bilder, ein kompletter Münzsatz und vieles andere mehr - zutage.
Neben diversen Schriftdokumenten, Bildern und Plänen, die sich direkt auf die Stadt Mülheim an der Ruhr beziehen, gibt es mehrere Objekte von zentraler Bedeutung, die einen direkten Bezug zum Ersten Weltkrieg und den Umständen der Deponierung der Kassette im Jahre 1928 haben:
Es handelt sich um ein im Durchmesser 2,9 Zentimeter großes Medaillon mit der Aufschrift "Zur Erinnerung A. D. Festl. EINZUG d. Inft. Regt. No 159 1899", das auf der Rückseite das Mülheimer Stadtwappen aufweist. Es bezieht sich auf die Verlegung des am 1. April 1897 gegründeten, Königlich Preußischen 8. Lothringischen Infanterie-Regiments 159 nach Mülheim am 30. 3. 1899. Es war dort in der Kaserne in der Kaiserstraße stationiert.
Das inhaltsvollste Dokument ist die handschriftlich mit Tusche auf Pergament geschriebene "Urkunde über das königlich preußische Infanterie-Regiment Nr. 159, das Reserveinfanterie-Regiment Nr. 219 und deren Regimentsorganisation. Eingemauert am 1. Juli 1928, dem Tage der Grundsteinlegung." Die elf beschriebenen Seiten enthalten
Die Lektüre der vorgefundenen Zeitungen lieferte die nächste Überraschung: Lag zunächst die Annahme nahe, dass die Kassette mitsamt der Gedenktafel im Jahr 1928 ihren Platz in und an der Schlossmauer gefunden hatten, so ergaben die Zeitungsberichte ein ganz neues Bild: Tatsächlich ist die Kassette am Tage der Grundsteinlegung am 1. Juli 1928 in ein Ehrendenkmal - die sechs Meter hohe Skulptur eines bronzenen Fackelträgers des bekannten Düsseldorfer Künstlers Carl Moritz Schreiner - an der Witthaushöhe (heutiger Standort des Ruhr-Reeder-Hauses) eingemauert worden. Die im Volksmund "der nackte Heinrich" genannte Statue wurde bereits 1933 unter nicht vollständig geklärten Umständen abgerissen und verschrottet. Auf Initiative von Hinterbliebenen der Regimentsangehörigen gelangte die Kassette dann 40 Jahre nach Beendigung des Ersten Weltkriegs, am 4. Mai 1958, in die Mauer von Schloß Broich, als besagte Gedenktafel angebracht wurde.
Wo aber verblieb die Schatulle im Zeitraum zwischen 1933 und 1958? Diese spannende Frage gilt es nun als nächstes zu klären, wobei die MST GmbH und die Stadt Mülheim an der Ruhr auch auf Hinweise aus der Bevölkerung hoffen!
(in der Reihenfolge von oben nach unten im Innern deponiert)
Heike Blaeser-Metzger
Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH (MST)
Tel.: 02 08 / 960 96 12
heike.blaeser-metzger@mst-mh.de
Uwe Steinkrüger
LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
Tel.: 0228 / 9834 126
uwe.steinkrueger@lvr.de