LVR-Amt für
Bodendenkmalpflege
im Rheinland
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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

2500 Jahre alter Schmuck – Augenärzte im römischen Rheinland – Archäologie und Ausgrabung an der Abbaukante

Viele Attraktionen beim Tag der Archäologie in Titz am Samstag, 24. Juni 2017

Pressemitteilung – Titz, 20. Juni 2017

Zu den zahlreichen Attraktionen beim Tag der Archäologie am Samstag, 24. Juni 2017, 10–18 Uhr, gehören wieder die beliebten Fahrten zu einer laufenden Ausgrabung im Tagebaugebiet. Diesmal geht es zur Grabung an einer mittelalterlichen Kapelle mit zahlreichen Bestattungen. Auf dem Gelände der Außenstelle in Titz-Höllen werden aktuelle Funde und Forschungen präsentiert. Außerdem locken viele Vorführungen und Mitmachaktionen.

Der Tag der Archäologie findet zum 24. Mal in der Außenstelle Titz des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland statt. Mitveranstalter ist die Stiftung zur Förderung der Archäologie im rheinischen Braunkohlenrevier, die das Programm maßgeblich finanziell unterstützt.

Fahrten zu einer Grabung in der Nähe der Abbaukante

Die Busfahrten führen diesmal zur Ausgrabungsstelle der St. Helena-Kapelle Vilvenich in Sichtweite der Abbaukante im Tagebau Inden. Vilvenich datiert in das 12.–13. Jahrhundert, eine frühere Gründung ist jedoch denkbar. Bei der von der Archäologie-Stiftung finanzierten Ausgrabung der Universität Bonn wird derzeit untersucht, ob der Bau auf ältere Anlagen zurückgeht – vielleicht sogar auf eine karolinger¬zeit¬liche Holzkirche (9. Jahrhundert). Die archäologischen Arbeiten machten bereits die Grundmauern mehrerer Vorgängerkirchen sichtbar. Im Umfeld werden zeitgleiche Bestattungen freigelegt und dokumentiert. Im Gelände demonstrieren die Wissenschaftler dem Publikum die Magnetometer-Technik, mit der archäologische Fundplätze zerstörungsfrei untersucht werden können.

Die kostenlosen Busfahrten zur Ausgrabung finden zwischen 10 und 16 Uhr statt. Die Plätze für die Fahrten sind begrenzt. Speziell bei schlechter Wetterlage kann sich der Zugang als beschwerlich erweisen. Wettergerechte Kleidung und in jedem Fall feste Schuhe sind erforderlich. Wichtiger Hinweis: Die Grabung befindet sich im eingezäunten Tagebaugelände, eine eigenständige Anfahrt kann aus Sicherheitsgründen nicht gestattet werden.

Herausragende Funde aus mehreren Grabungen

Beim Tag der Archäologie werden auf dem Gelände der Außenstelle in Titz neue archäologische Funde aus dem Rheinischen Braunkohlenrevier vorgestellt. Im Mittelpunkt steht die mittlerweile abgeschlossene Ausgrabung bei Inden-Pier, Tagebau Inden. Es handelt sich dabei um das mit fast 600 Gräbern größte zusammenhängende Gräberfeld der frühen Eisenzeit (8. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) im Rheinland. Nachdem im Vorjahr die Besucherinnen und Besucher des Tages der Archäologie die Freilegung einer ersten, im Block geborgenen Urne hautnah miterleben konnten, werden nun erste Ergebnisse präsentiert. Mehrere Gräber fallen durch die Beigabe von reichem Bronzeschmuck auf. Während ein Grab neben dem Leichenbrand einen Armring, eine auf einem dünnen Bronzedraht aufgezogene Glasperle und sogar einen Wendelhalsring enthielt, wies ein weiteres Urnengrab noch kostbarere Beigaben auf: ganze Sätze von verzierten Arm- und Halsringen. Diese im Rheinland bislang unbekannte Ausstattung kennt man aus Hunsrück und Eifel.

Die römerzeitliche Villa von Giesendorf-Berrendorf im Stadtgebiet Elsdorf (Tagebau Hambach) bestand aus einem Hauptgebäude mit Eckrisalit und vier Nebengebäuden mit Steinfundamenten. Der Beginn dieser römischen Ansiedlung liegt noch im 1. Jahrhundert und reicht bis in das späte 4. oder die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts. Unter den Funden aus den Brunnen der Villa ist eine außergewöhnliche Jupiterstatue mit dem schönen Jüngling Ganymed hervorhebenswert, das Glanzstück des Tages der Archäologie 2016. Bei genauerer Untersuchung des Brunneninhalts wurden jetzt kleine Reste hölzerner Schreibtäfelchen entdeckt. Passend dazu können nach erfolgter Restaurierung erstmals vergleichbare Schreibtäfelchen aus Buchenholz präsentiert werden, die aus einem weiteren römischen Brunnen im Tagebau Hambach stammen. Die Schreibtafeln hatten eine dünne Wachsschicht, die nach Wegwischen vielfach neu beschrieben werden konnte. Ihr Fund beweist eine antike Alphabetisierung auch im ländlichen Bereich. Spektakulär ist auch ein weiteres Grab: Es beinhaltet zwar das übliche für das Jenseits bestimmte Trink- und Essgeschirr des 2./3. Jahrhunderts. Absolut außergewöhnlich ist jedoch der Stempel eines Augenarztes. Sein Name: Quintus Cop(onius?) Cosmus. Laut dem Stempel heilte er beispielsweise mit wohlriechendem Safran eine leichte bakterielle Augenentzündung.

Bei Erkelenz-Borschemich wurde im Vorfeld des Braunkohletagebaus Garzweiler das Rittergut Haus Palant ausgegraben, ein bedeutendes Bau- und Bodendenkmal und Zeugnis adeliger Wohnkultur im Jülicher Land vom 13. bis 19. Jahrhundert. Zwischen den Grundmauern des Herrenhauses ließen sich der Grundriss einer Vorgängeranlage aus dem 14. Jahrhundert in Form eines quadratischen Wohnturms sowie Brücken mit Torhäusern und Bebauung der Vorburg nachweisen. Auch die urkundlich überlieferte Zerstörung von 1586 konnte im archäologischen Befund nachgewiesen und mit aufschlussreichen Funden untermauert werden, darunter eine kleine Silberdose, eine sogenannte Pyxis. Die mittig zu öffnende Dose zeigt auf dem Deckel das Wappen derer von Palant. Die französische Deckelumschrift nennt einen Palant´schen Wahlspruch („REPOS NE ChERCHE ICI – Ruhe nicht, suche hier“, deren Namen sowie die Jahreszahl 1573. Das Döschen dürfte Eigentum des Franz Diederich von Palant zu Breitenbend (1530–1600) gewesen und vermutlich an dessen Sohn Christoph vererbt worden sein, da dieser zum Zeitpunkt der Zerstörung seit zwei Jahren auf Haus Palant lebte.

Handwerk und Bauernleben in der Hofanlage aus der Eisenzeit

Die im Rheinland einzigartige eisenzeitliche Hofanlage mit den markanten strohgedeckten Häusern im Freigelände der Außenstelle Titz wird durch Vorführungen für Groß und Klein belebt. Hier kann man alte Handwerkstechniken und das Leben auf einem Bauernhof rund 500 bis 100 Jahre v. Chr. nachempfinden – als es noch keinen Strom, kein Wasser aus der Leitung, keine Zentralheizung und keinen Fernseher gab. Wie stellt man Textilien mit der Handspindel und dem Gewichtswebstuhl her? Wie konnte man in der damaligen Zeit Speisen zubereiten? Wie lange dauert es, eine Handvoll Mehl mit keltischen Mahlsteinen zu gewinnen? Wie funktioniert ein Lehmkuppelofen?

Vorstellung von Forschungsprojekten der Archäologie-Stiftung:

  • Vorführung geophysikalischer Prospektionstechniken durch Wissenschaftler der Universitäten Köln und Bonn. Mit dieser modernen Methode können große Flächen nach archäologischen Fundstellen abgesucht werden, ohne dafür aufwendig in den Boden eingreifen zu müssen.
  • Absolventen, die ihre Abschlussarbeiten mit einem Stipendium der Archäologie-Stiftung erstellen, präsentieren ihre aktuellen Promotions- und Masterarbeiten – mit Themen von der ältesten Steinzeit bis zur Frühen Neuzeit.
  • Aktivitäten für Kinder: Kinder dürfen ausgraben, Funde bestimmen und sich handwerklich betätigen: töpfern, Getreide zu Mehl mahlen wie bei den Kelten (Replik einer Handdrehmühle) und kleine Stoffsäckchen herstellen, um das Mehl nach Hause zu tragen.

Weitere Aktionen und Vorführungen:

  • Kulinarische Genüsse: ein Fleischgericht nach einem Rezept aus der Zeit der Reformation (16. Jahrhundert) und moderne Speisen und Getränke
  • Erläuterungen zu römischer Glasproduktion
  • Paläontologische Funde aus den Braunkohletagebauen
  • Verkauf von archäologischen Fachbüchern und Repliken
  • Lesungen aus historischen Romanen
  • Vorführung archäologischer Filmdokumentationen
  • Arbeiten in der historischen Schmiede
  • Lokaler Imker, Korbflechter und Ziegenkäsestand
  • Infostand des LVR-Kulturhauses Synagoge Rödingen
  • LVR-Kulturmobil

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24. Tag der Archäologie, Samstag, 24. Juni 2017, 10–18 Uhr

Veranstaltungsort:

LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Außenstelle Titz
Ehrenstraße 14-16
52445 Titz-Höllen

Weitere Informationen, auch mit Anfahrthinweisen:
www.archaeologie-stiftung.de
www.bodendenkmalpflege.lvr.de

Pressekontakt:
Uwe Steinkrüger
LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
Telefon 0228 9834-126
E-Mail uwe.steinkrueger@lvr.de

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