Kurz vor der Verfüllung eines Teilabschnitts des Stollens entstand am 7. Juni 1978 diese Aufnahme. Foto: privat
Der Stollen Höferstraße unter der Bahnlinie im Querschnitt.
Zeichnung der Zugangstreppe Höferstraße. Beide Zeichnungen: aus privatem Nachlass
Durch einen Zufallsfund in einem Nachlass wurden die in Velbert und Umgebung aktiven Ehrenamtlichen Mitarbeiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland auf ein bisher wenig bekanntes Relikt aus den Zweiten Weltkrieg aufmerksam. Immer schon gab es Gerüchte über ein Luftschutzstollensystem, welches die ganze Stadt vom Offerbusch bis zur Talstraße unterquert haben soll. Manche unbestätigten Quellen sprachen gar von einem Stollensystem, das bis zum Baldeneysee reichen sollte. Beweisen konnte man dies bisher nicht.
Jedoch liegen den Ehrenamtlern nun Unterlagen über einen Teil des Velberter Stadtstollens vor, der einen Abschnitt vom neuen Stadtplatz an der Hohenzollernstraße, entlang des Friedenswegs und unter der Eisenbahn (heute Panoramaradweg) hindurch bis zu den Gießereien an der Talstraße nachweist. Im Stadtarchiv kann man erfahren, dass der Stollen von russischen Kriegsgefangenen im Dreischichtbetrieb, also rund um die Uhr, in den Jahren 1944-45 in fieberhafter Schwerstarbeit angelegt wurde. Die Bauaufsicht hatte das Tiefbauamt Velbert, ausführende Firma war die Untertage- und Schachtbau GmbH (Veruschacht) aus Essen. Dieser wurden die Zwangsarbeiter von Velberter Betrieben überlassen. Der Stollen hatte Abzweige zu den ansässigen Betrieben und zur Villa Berninghaus an der Höferstraße und konnte über bis zu 18 m tiefe Treppenschächte erreicht werden. Etliche hundert Meter waren zum Kriegsende ausgebaut, das Projekt konnte allerdings nie vollendet werden.
Der ehemalige Velberter Bürgermeister Dr. Leopold Tweer (1881 - 1960) schrieb nach dem Krieg zu den in Velbert realisierten Luftschutzmaßmahmen und insbesonders zu den Stadtstollen (Auszug aus Originaldokument):
"Dem Himmel habe ich gedankt, als nach mühevollster Arbeit der erste Teil des Großstollens fertig war, ohne dass etwas furchtbares aus der Luft geschehen war, als jetzt in dem Stollenteil im Ernstfalle schon mindestens fünf bis sechs Tausend Einwohner sichere Obhut finden konnten und ... total luftschutzgesichert waren."
Nach dem Krieg wurden einige Teile des Stollens verfüllt, andere gerieten in Vergessenheit. Zuletzt gab es ein Gerücht über einen Tagesbruch im Bereich der Baustelle des Forum Niederberg in den 1980-er Jahren.
Ein Foto aus dem Jahr 1978 zeigt die letzte Befahrung des Stollens an der Friedensstraße vor der Verfüllung.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege – bekannt auch durch die Erforschung der Krupp'schen Nachtscheinanlage in Velbert – rufen nun die Bevölkerung auf, Zeitzeugenberichte, Fotos oder Unterlagen abzugeben, sofern sie heute nach über 70 Jahren noch verfügbar sind. Für Zeitzeugenberichte, Rückfragen und Kontaktaufnahmen haben sie die E-Mail-Adresse stadtstollen-v@gmx.de geschaltet. Zu der Arbeitsgruppe gehören Bernd Knop, Rolf Knop, Jürgen Lohbeck, Josef Niedworok, Sven Polkläser und Bernd Rasche.
Text: Dipl.-Ing. Josef Niedworok, Velbert