LVR-Amt für
Bodendenkmalpflege
im Rheinland
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Tüllenkanne Pingsdorfer Machart, um 1200, Fundort Brauweiler (Foto: Alfred Schuler, LVR-ABR)

Archäologie
im Rheinland

Ein lebendes Fossil, Mysterienkulte und üppige Tafelfreuden

Jahrespressekonferenz "Archäologie im Rheinland 2017"

Pressemitteilung - Bonn, 5. Februar 2018

Durch zahlreiche Entdeckungen gelang es der rheinischen Archäologie im Jahr 2017, wichtige Forschungslücken zu schließen, vor allem um das Leben der Menschen in der Bronze- und der Eisenzeit zu verstehen. Rund 400 Fachleute kamen am 5. und 6. Februar im LVR-LandesMuseum Bonn zusammen, um sich über die neuesten Erkenntnisse aus Paläontologie und Archäologie zu informieren. Veranstalter dieser jährlichen Tagung ist das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland.

Erdgeschichte

In diesem Jahr werden die beiden letzten Steinkohlenzechen in Deutschland geschlossen. Für die paläontologische Bodendenkmalpflege unter Leitung des Geologischen Dienstes NRW versiegt damit eine wichtige Quelle, da beim Steinkohlenabbau eine große Zahl von Fossilien entdeckt wurde. Ein Schwerpunkt der paläontologischen Arbeit 2017 lag deshalb auf dem Bergen der Fossilfunde aus dem flözführenden Oberkarbon. Eine Auswahl an Pflanzenfossilien aus dem Steinkohlenbergbau ist in der Fundpräsentation im Landesmuseum anlässlich der archäologischen Jahrestagung bis zum 18. März 2018 zu sehen.

Eine Rarität sind Funde von Ginkgo-Blättern aus den tertiären Schichten des Rheinischen Braunkohlenreviers: Nur fünf Beispiele sind in den letzten 30 Jahren aus dem Tagebau Hambach bekannt geworden. Umso überraschender war die Entdeckung von 50 Blättern und weiteren Stücken bei einer paläobotanischen Exkursion. Diese Überreste von 6 Millionen Jahre alten Ginkgo-Bäumen sind so gut erhalten, dass selbst die oberste, wachsähnliche Blattschicht noch sichtbar ist. Da sich der Ginkgo-Baum über viele Jahrmillionen kaum verändert hat und viele altertümliche Merkmale besitzt, wird er als „lebendes Fossil“ bezeichnet.

Äußerst selten waren über viele Jahre Funde von fossilen Haizähne im Rheinland. Wie bereits 2016 gelang es auch im Jahr 2017, aus den Rheinschottern am nördlichen Niederrhein Zähne dieser Raubfische zu bergen, die ursprünglich in 8 Millionen Jahre alten Meeressanden lagen.

Vorgeschichte

Ein besonderer archäologischer Fund im Jahr 2017 ist das massive Schneidenbruchstück einer trapezförmigen Flachbeilklinge von einem Acker bei Pulheim. Der aus einer Kupferlegierung bestehende Fund datiert in das 4. Jahrtausend v. Chr. und gehört somit zu den ältesten Metallgeräten im Rheinland.

Licht ins Dunkel der „Dark Ages“ der ausgehenden Jungsteinzeit bringt eine großflächige Grabung in Rheinbach. Im Rheinland sind nur sehr wenige Plätze aus dieser Zeit bekannt. Wie so oft erwiesen sich die Abfallgruben als Archiv. In einer der Gruben fand das Grabungsteam die Reste eines Hirschgeweihs sowie Knochenstücke von Schweinen und Rindern. Mittels der Radiokarbonmethode wurden die Knochen auf 2.700 v. Chr. datiert. Die Keramik weist Verbindungen in die Niederlande auf.

Erstmals im Rheinland gelang der Nachweis einer spätbronzezeitlichen Abschnittsbefestigung. Das Wall-Graben-System auf dem Höhenrücken bei Odenthal-Erberich wurde lange Zeit ins Mittelalter datiert. Oberflächenfunde der vergangenen Jahre hatten jedoch Keramik der älteren Eisenzeit und sogar eine Knopfsichel der späten Bronzezeit erbracht. Ausgrabungen 2017 bestätigten, dass ein erster Wall bereits um 1.000 v. Chr. errichtet worden war. Ein zweiter Wall wurde spätestens in der Eisenzeit, um 130 v. Chr., angelegt. Aus dieser Zeit stammen auch die Spuren einer Besiedlung mit Pfostenbauten und ein bronzener Jochaufsatz vom Zuggeschirr eines Wagens.

Das mit über 650 Gräbern bislang größte geschlossene eisenzeitliche Gräberfeld im Rheinland legten Grabungsteams des LVR in den vergangenen zwei Jahren im Braunkohlentagebau Inden frei. Gegenüber dem Rückblick auf das archäologische Jahr 2016 sind nochmals rund 150 Gräber hinzugekommen. Die gefundenen Urnen aus dem 8.–6. Jahrhundert v. Chr. spiegeln die große Vielfalt der Keramikformen wider. Neben grob gearbeiteten Töpfen sind sorgfältig geglättete oder gar verzierte Exemplare vertreten und lassen Rückschlüsse auf die soziale Stellung der Verstorbenen zu. Gäste des Landesmuseums können in der Fundpräsentation mehrere Beispiele sowie ein Urnengrab aus dem Gräberfeld im Auffindungszustand sehen.

Prof. Dr. Jürgen Kunow, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland: „Im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland wies die Erforschung der Metallzeiten im Rheinland insbesondere in Bezug auf Gräberfelder bislang größere Lücken auf. Wir sind aber dabei, den Rückstand mit großen Schritten aufzuholen. Dazu tragen unter anderem die großflächigen Ausgrabungen in den Braunkohlentagebauen, Aufnahmen mit Hilfe von Drohnen sowie Untersuchungen des Bodens mit Magnetometern bei. Einige Male half uns allerdings auch der Kollege Zufall.“

Römische Epoche

Der überraschende Fund eines römischen Monumentalbaus ist die wichtigste Nachricht aus dem archäologischen Jahr in Köln. Bei einer Grabung des Römisch-Germanischen Museums von April bis November 2017 neben der Antoniterkirche, in unmittelbarer Nähe der Schildergasse, wurde der Großbau von 20 x 9 Metern Grundfläche vollständig erfasst. Das repräsentative Gebäude war mit einem hochwertigen Estrich ausgestattet. Die Wände waren durch Nischen gegliedert, in denen man sich ein Statuenprogramm vorstellen kann. Die Funktion des Gebäudes ist unbekannt, doch zeugt es von der städtischen Selbstverwaltung als Colonia. Hier, im Herzen der römischen Altstadt, lag das antike Forum der Colonia, der zentrale Platz der Stadt. Das öffentliche Gebäude war über den Resten eines Töpfereibetriebes aus der frühesten Siedlungsphase der römischen Kaiserzeit auf Kölner Stadtgebiet errichtet worden. Dieser Betrieb bestand aus mindestens neun Töpferöfen.

Überraschend ist auch das Ergebnis aktueller Untersuchungen, wonach die Römer das Kleinkastell Werthausen in Duisburg-Homberg nicht linksrheinisch, sondern auf dem damaligen rechten Rheinufer errichtet haben. Von der Duisburger Stadtarchäologie organisierte Bohrungen am Rheinufer und anschließende Analysen durch das Labor für Archäobotanik der Universität zu Köln stellten fest, dass die damalige Rheinschlinge bei Moers-Asberg, der Essenberger Mäander, noch bis in die Spätantike bestand. Also haben die Römer das Kastell Werthausen bewusst am rechten Ufer, in einem Mäanderhals angelegt. Erst später verlagerte der Rhein sein Bett, sodass Werthausen heute linksrheinisch liegt. Mit Gründungen von weiteren Kleinkastellen in solchen Flaschenhalssituationen muss wohl auch andernorts zu rechnen sein.

Im LVR-Archäologischen Park Xanten helfen neue Prospektionen, also zerstörungsfreie Untersuchungen, den „Stadtplan“ der römischen Metropole zu vervollständigen. Aktuelle Forschungsergebnisse zum Hafen, dem Umwehrungsgraben und einem Umgangstempel zeichnen innerhalb und außerhalb der antiken Stadtmauer ein Bild der regen Bautätigkeit der ehemaligen Bewohner. Im Norden der Stadt stießen die Teilnehmer einer Lehrgrabung der Uni Köln auf Befunde aus der Zeit vor der Gründung der Colonia Ulpia Traiana.

Die zweifellos schönsten und wertvollsten Funde des abgelaufenen Jahres im Rheinland machte ein Grabungsteam in einem Gräberfeld aus der Endphase der römischen Kultur (2. Hälfte 4. bis 1. Hälfte 5. Jahrhundert) in Inden-Vilvenich im Vorfeld des dortigen Tagebaus. Es handelt sich um filigrane Glasgefäße von hoher handwerklicher Kunst sowie formenreiches Tafelgeschirr. Die wertvollen Beigaben sollten im Jenseits für üppige Tafelfreuden dienen. Glücklicherweise waren sie in Grabnischen niedergelegt und sind dadurch unzerstört geblieben. Nun bereichern Sie die Präsentation der letztjährigen Funde im LVR-LandesMuseum Bonn.

In Erkelenz-Borschemich wurde im Vorfeld des Tagebaus Garzweiler im Brunnen eines römischen Landgutes mit Heiligtum eine größere Steinplatte entdeckt, die in der Mitte gut zu erkennende Spuren von kleinen Feuern aufweist. Offenbar diente sie als Brandopferaltar im Rahmen blutiger Tieropfer-Zeremonien. Bilder aus der Antike belegen Opferhandlungen mit derart schlichten und naturnah belassenen Altären insbesondere in Mysterienkulten ländlicher Heiligtümer. Möglicherweise wurde der Stein entweiht, worauf kräftige Beilhiebspuren hinweisen, aber auch sein Fundort in einem aufgegebenen Brunnen, wo man ihn einer weiteren kultischen Nutzung entzog.

Im Rheinland gab es in römischer Zeit offenbar auch im ländlichen Raum eine fachärztliche Versorgung. Erstmals belegt dies das Grab eines Augenarztes auf einem römischen Landgut in Elsdorf-Heppendorf. Im Grab fand sich ein Stempel, dessen Inschrift mehrere Augenleiden und Rezepte überliefert. Unter den spätantiken Gräbern des Landgutes sticht ein weiteres mit zahlreichen Gefäßen in vier Beigabennischen besonders hervor. Die eiserne Gürtelschnalle im Grab könnte einen Hinweis auf eine Herkunft des zweifellos wohlhabenden Verstorbenen aus dem rechtsrheinischen oder dem Donaugebiet geben. Während die beigegebenen Gläser vermutlich aus lokaler Hambacher Herstellung stammen, kommt die Keramik unter anderem aus den Argonnen in Frankreich (Terra Sigillata) und Mayen (rauwandige Ware).

Exzellent erhalten hatte sich ein Schöpfeimer in einem römerzeitlichen Brunnen in Erke-lenz-Kückhoven. Das kürzlich restaurierte Holzgefäß wird im Monat Februar als Fund des Monats im LVR-LandesMuseum Bonn präsentiert. (s. gesonderten Text)

Mittelalter

Zu den herausragenden Entdeckungen der rheinischen Archäologie im Jahr 2017 gehört ein bislang unbekannter fränkischer Friedhof des 6.–8. Jahrhunderts in Weeze-Knapp¬heide. Wie überall im Frankenreich legte man ab dem 8. Jahrhundert die Toten bei den Pfarrkirchen zur Ruhe. Der Friedhof in Knappheide geriet in Vergessenheit. Insgesamt sicherten die Grabungsteams des LVR und einer Fachfirma 89 Körpergräber sowie 32 Brandgräber. Die bei Christen nicht üblichen Brandgräber könnten von Zuwanderern stammen oder Ausdruck heidnischer Glaubensvorstellungen sein. Viele Gräber waren bereits antik beraubt, doch konnten neben teils vollständig erhaltenen Keramikgefäßen auch Schmuck (Perlen, Gewandspangen), drei Goldmünzen sowie Waffen (Schild, Schwert, Speer) geborgen werden. Einige Funde aus Frauengräbern sind in der Präsentation im Landesmuseum zu sehen.

Amtsleiter Jürgen Kunow: „Wir haben hier die seltene Chance genutzt, ein fränkisches Reihengräberfeld vollständig mit den heutigen Methoden auszugraben und zu erforschen und somit wichtige Erkenntnisse zur Siedlungsgeschichte sowie zu den Gebräuchen in der Region zu gewinnen. Leider lag der zuvor unbekannte Friedhof mitten im bereits genehmigten Kiesabbaugelände, sonst hätten wir uns für seinen Erhalt eingesetzt. Friedhöfe aus der Merowingerzeit sind insbesondere am Niederrhein selten und sollten daher als wichtiges Kulturzeugnis nach Möglichkeit unberührt im Boden bleiben.“

Neuzeit

Unmittelbar vor dem ehemals bedeutenden Festungswerk Kaiserswerth in Düsseldorf wurden zahlreiche Objekte entdeckt, die zum großen Teil direkt auf die historisch überlieferten Belagerungen vor allem des 17. und 18. Jahrhunderts zurückgeführt werden können. Neben zahlreichen Musketenkugeln und Bestandteilen militärischer Ausrüstungen liegen auch Keramikfragmente von Ess- und Trinkgeschirr vor, die wahrscheinlich zu den Feldlagern gehörten. Eine Kreuzemailfibel des 9./10. Jahrhunderts ist der bisher älteste Fund dieses Platzes, der seit der Klostergründung um 700 eine wechselvolle Geschichte aufweist.

Pressebilder:
Bildmaterial, auch hochaufgelöst, auf Anfrage.

Pressekontakt:
Uwe Steinkrüger, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
Telefon: 0228 9834-126
E-Mail: uwe.steinkrueger@lvr.de

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