Bei der Grabung im Areal des ehemaligen Bonn-Centers wurden auch Bereiche der römischen Zivilsiedlung (vicus) untersucht. Dabei kamen im hinteren Teil eines Streifenhauses ein Holzfass aus dem 2. Jahrhundert und darin die Fragmente eines sogenannten Gesichtsgefäßes zutage.
Der rauwandige, bauchige Topf mit schmalem Fuß und abgesetztem Rand weist eine erhaltene Höhe von 14 cm und einen Randdurchmesser von 21 cm auf. Auf einer Hälfte, der Schauseite, ist ein Gesicht dargestellt. Die Augenbrauen bestehen aus bogenförmigen Wülsten, Kerben markieren die Haare. Aus der Stelle, an der die Augenbrauen zusammentreffen, erwächst eine plastisch geformte Nase. Zwei Messerstiche deuten die Nasenlöcher an. Die Augen bestehen aus zwei runden Tonwülsten mit leicht schrägen Einschnitten. Ähnlich ist der Mund aus einem ovalen Tonwulst mit einer waagerechten Kerbe gestaltet. Unmittelbar darunter liegt das runde Kinn. Die Ohrmuscheln werden fast realistisch durch geschwungene Wülste angedeutet. Auf der rechten Wange ist ein waagerechter Phallus modelliert.
Ursprünglich bezeichnete man diese Gesichtsgefäße als „Gesichtsurnen“, was auf die Form und die oft geschlossenen Augen der Gesichter als Symbolisierung des ewigen Schlafes zurückzuführen ist. Da die Mehrzahl dieser Gefäße jedoch nicht aus Gräbern stammt, ist deren Funktion nicht im Zusammenhang mit dem Totenkult zu sehen, sondern vielmehr im Alltagsleben. Die unheilabwehrende (apotropäische) Bedeutung der Gesichter und Phalli steht außer Frage. Möglichweise sollten sie den Gefäßinhalt vorm schnellen Verderben, Naschen oder Tierfraß schützen. Eine andere Interpretation bringt die männlichen Geschlechtsorgane mit der Fruchtbarkeit im Dionysoskult in Zusammenhang. Allerdings ist eine kultische Nutzung der Gefäße nach aktuellem Forschungsstand eher auszuschließen.
Das Gesichtsgefäß wird im März 2020 als Fund des Monats im LVR-LandesMuseum Bonn gezeigt.