Pressemitteilung – Bonn, im Juli 2018.
Voraussichtlich Anfang 2020 soll der Antrag zur Anerkennung des Niedergermanischen Limes als Weltkulturerbe bei der UNESCO in Paris eingereicht werden. Michael Gechter, der 1974 mit seiner Dissertation über die römische Reichsgrenze entlang des Rheins (Bonner Jahrbücher 179, 1979) eine Grundlage hierfür legte, wird dies nicht mehr erleben, denn er starb am 18. Juni 2018 in Rheinbach bei Bonn.
Seine von Hans Schönberger, dem damaligen Ersten Direktor der Römisch-Germanischen Kommission, angeregte und in Bonn bei Harald von Petrikovits eingereichte Arbeit befasste sich vor allem mit den Anfängen des Niedergermanischen Limes, einem Flusslimes. Gechter analysierte ihn erstmals als ganzheitliches Grenzsystem. Das römische Militär übte auf den 1946 in Hamburg geborenen Michael Gechter, der selbst nie Soldat war, zeitlebens eine große Faszination aus. Als junger Archäologe hatte er sich u.a. an Ausgrabungen im römischen Neuss beteiligt, wo auch heute noch viele Fragen zu den Militärlagern und zivilen Bauten nicht geklärt sind.
1975 wurde Gechter als „Wissenschaftlicher Grabungsleiter“ beim LVR angestellt, fünf Jahre später erfolgte die Übernahme ins Beamtenverhältnis. In den 1980er Jahren lud er gleichgesinnte jüngere Archäologen aus dem In- und Ausland zu Gesprächen über neue Methoden und Forschungsansätze zu sich nach Hause ein. Vieles kam ihm und anderen damals verstaubt vor. Als „Unkeler Kreis“ war diese Gruppe seinerzeit bekannt, sie gab sogar eine kleine, hektografierte Publikation heraus, die insbesondere in Studentenkreisen kursierte; fast alle Teilnehmer haben später verantwortliche Positionen übernommen.
Als der LVR zum 1. Januar 1987 die Bodendenkmalpflege aus dem Rheinischen Landesmuseum Bonn ausgliederte und zu einer eigenständigen Dienststelle erhob, wurde Michael Gechter kommissarischer Leiter und somit Gründungsdirektor des Amtes. Nach dem Amtsantritt von Prof. Dr. Harald Koschik als neuer Landesarchäologe wurde Gechter zunächst die Leitung der Abteilung Prospektion übertragen. Von Dezember 1989 bis zu seinem Ausscheiden Ende April 2012 war er dann Chef der Außenstelle Overath, zu deren Gebiet die Rheinschiene von Neuss bis Bonn (bekanntlich ohne Köln) sowie das Rechtsrheinische zwischen der Ruhr und der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz gehört.
Nun kommen römische Fundplätze rechts des Rheins eher selten vor. Eine Ausnahme stellt der römische Bergbau dar, wie am Höhenzug Lüderich in Overath, nahe Bergisch Gladbach. Die Grabungen und Forschungen hierzu trugen dazu bei, dass sich der provinzialrömische Archäologe Michael Gechter intensiv der Montan-Archäologie widmete. Sein Interesse am römischen Militär wandelte sich zu einem Forschungsinteresse für den Zweiten Weltkrieg – ergänzt durch die entsprechende Sammel-Leidenschaft.
Michael Gechter, so berichten Weggefährten, war ein streitbarer Archäologe – bekannt für seine Ecken und Kanten. Seine bisweilen knorrige Art kam nicht bei jedem an. Beim Leiter einer Straßenbehörde beschwerte er sich einmal äußerst vehement über die Beschädigung eines Denkmals. Die unvermeidliche Rüge wegen Nichteinhaltung des Dienstwegs war einkalkuliert.
Überaus beliebt war der Archäologe im Kreis „seiner“ ehrenamtlichen Mitarbeiter. Rund 70 Freiwillige schulte und förderte Gechter. Ja, er kochte sogar für die Treffen mehrgängige Menüs. Für seine Mitarbeiter, haupt- und ehrenamtlich, setzte er sich stets ein, forderte aber auch „Gefolgschaft“ ein – wie sich ein Kollege erinnert.
An seinem Forschungsprojekt zu den Militärlagern in Neuss konnte Gechter nur in der Freizeit arbeiten. Nördlich des berühmten und bestens erforschten Koenenlagers in Neuss-Gnadenthal finden sich zahlreiche Spuren älterer Lager aus augusteisch-tiberischer Zeit, die sich aufgrund unterschiedlicher Phasen bislang nur schwer zu einem schlüssigen Bild zusammensetzen lassen. Umfangreiche Grabungen – insbesondere unter der Leitung von Gustav Müller – hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft bereits in den 1960er und 1970er Jahren finanziell unterstützt. Der damalige Ausgräber verstarb frühzeitig und konnte keine Auswertung mehr vorlegen; Michael Gechter sah sich in der Pflicht. Als Pensionär und bereits von der Krankheit geschwächt, arbeitete Michael Gechter an dem Forschungsband „Novaesium“, den die Römisch-Germanische Kommission herausgeben will – doch die Krankheit holte ihn ein. Nun ist es an der rheinischen Landesarchäologie, das Vermächtnis Michael Gechters fertigzustellen.
Prof. Dr. Jürgen Kunow, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland: „Mit dem Tod von Dr. Michael Gechter verlieren wir einen herausragenden Forscher, leidenschaftlichen Feldarchäologen und eine Persönlichkeit, die die Bodendenkmalpflege im Rheinland über Jahre maßgeblich geprägt hat. Auch ich persönlich verdanke ihm sehr viel.“
Als letzte Ruhestätte wählte Michael Gechter unweit seines letzten Wohnortes einen Friedwald in Bad Münstereifel. Dass ganz in der Nähe mit der vom römischen Militär betriebenen Kalkbrennerei Iversheim ein Objekt des Niedergermanischen Limes liegt, wird er vielleicht mitbedacht haben.
Uwe Steinkrüger